Dieser Kopf ist eine Männerdomäne, die einzige Frau, die der hierarchisch geordnete Betrieb duldet, ist Telefonistin. Und doch wurde dem „Fräulein vom Amt“ – wohl unbeabsichtigt – die Möglichkeit eingeräumt, die Macht komplett zu sabotieren. Streikte sie, wären alle Leitungen tot, fiele die Kommunikation des Gehirns mit dem Rest des Körpers in sich zusammen.
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Lückenlos arbeitet dieser Apparat ohnehin nicht. Es gibt zwar Kameraleute, die die Augen kontrollieren, Steuermänner, zuständig für die Extremitäten, und ein Wissenschaftler im weißen Kittel schwenkt im Labor Reagenzgläser, um Geruch und Geschmack zu analysieren. Aber wo ist das Büro für Gefühle? Welcher Funktionär managt Freude, Liebe, Angst und Hass? Dafür wurde keine Stelle eingeplant. Die Masse der Arbeiterschicht jedoch darf man weiter unten, in den Eingeweiden und an den Knochen vermuten.
Die Angestellten in den oberen Etagen dieses Gesellschaftskörpers haben keinen Grund für Überheblichkeit, sie sollten sich stattdessen Sorgen machen: Ein erster Arbeitsplatz wurde schon wegrationalisiert. In der „Abteilung für automatische Handlungen und Routinetätigkeit“, links neben dem Sekretariat, steht kein Mensch. An seiner Stelle sieht man ein Gerät, es könnte eine Rechenmaschine sein.
Wann wurde dieses Bild veröffentlicht? Im Flickr-Account, dem ich es entnahm (Quelle: x-ray delta one, cc, meine Bearbeitung), fand ich keine genaue Datierung. Aber über eine Google-Suche nach dem Text „Machine That Measures Brain-Waves“, den die Illustration begleitet, habe ich eine mögliche Literaturangabe entdeckt. Demnach stammt sie wahrscheinlich aus dem britischen Jugendmagazin „Modern Wonder“ vom 4. März 1939. Eher beiläufig – als Infotainment – wird damals den Jungs, die das Zielpublikum sind, eine ganze Gesellschaftsordnung beigebracht. Und ein Bild des Denkens als Management. Wie zukunftsweisend.
Dennoch wird es nur noch wenige Monate dauern, dann ist diese Ausgabe reif fürs Altpapier. Die Kriegswirtschaft an der home front Großbritanniens braucht Frauen als Arbeitskräfte, und das in Massen. Ältere Freunde, Brüder und Väter der jugendlichen Leser werden derweil in den Kampf gegen Nazi-Deutschland geschickt. Ihre Körper, die sie dem feindlichen Feuer aussetzen, sind nicht aus Metall.
Links
- Man darf annehmen, dass der namenlose Zeichner des Kopfes von den Illustrationen und Beilagen aus den Büchern des Arztes und Autors Fritz Kahn (1888–1968) abgeschaut hat, etwa von der „Biologie des Bratenduftes“ oder „Der Mensch als Industriepalast“ (1927). Beide Bilder finden sich auch in einer Galerie von Einestages (SpOn).
- „Der Mensch als Industriepalast“ in einer Video-Animation (2010) von Henning Lederer.
- Mehr Populärwissenschaft aus jahrzehntealten Magazinen und Retro-Futurismus finden sich im Blog Modern Mechanix.
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